Es gab durchaus Zeiten in meinem Leben in der ich lieber ein Junge gewesen wäre, als ein Mädchen. Ich habe Fussball gespielt und hatte nur Jungs als Freunde und es gab immer Situationen bei denen ich dann einfach anders war. Mit beginnender Puppertät konnte ich nicht mehr im Sommer nur mit kurzer Hose rumlaufen, alle 4 Wochen war der Besuch im Schwimmbad nicht mehr so unkompliziert wie gewünscht und das Pinkeln im Stehen ging zwar ganz gut, war aber nicht so ganz normal.

Es ist nicht so, dass ich mich im falschen Körper fühlte, aber ich hatte so im Laufe meiner Entwicklung ein paar extreme Phasen. Bis ungefähr 16 war ich immer sportlich gekleidet und wirklich eher ein Junge als ein Mädchen. Einmal trug ich Plateau-Schuhe von einer Freundin und als dann einige vorschlugen ein wenig Fussball zu spielen, habe ich mich wahnsinnig geärgert, dass ich diese blöden Schuhe trage, so dass das Mitspielen unmöglich war. Gut, dass das nur einmal passierte. In der Zeit war ich wahnsinnig in meinen besten Freund verschossen und musste akzeptieren, dass er immer mit meinen Freundinnen etwas hatte.

Mit 16 Jahren entdeckte ich meine weibliche Seite. Dies hing mit einem Ortswechsel und damit verbundenen Erfahrungen mit Jungs zusammen. Nach meiner Rückkehr sagte ein Freund zu mir: "Heute nehme ich das erste Mal wahr, dass du Brüste hast." Das ist eine Ansage. Und irgendwie auch das süsse Kompliment von einem 16-jährigen, der mit mitteilte, dass er meine Weiblichkeit bemerkt. Ich kannte ihn zu dem Zeitpunkt seit 6 Jahren.

Dann kam die Phase, in der ich ausser meinen Sportschuhen keine flachen Schuhe besass. Gut, dass diese auch irgendwann vorbei ging. Denn immer nur High Heels ist auch anstrengend.

Heute geniesse ich, dass ich die Freiheit habe beide Seiten auszuleben. Ich laufe wahnsinnig gerne mit Röcken oder Kleidern und dazu in Schuhen mit 10 cm Absätzen rum, gehe aber auch gerne in die Werkstatt und trage dort Sicherheitsschuhe und Schutzbrille.
Ich geniesse die Anerkennung, die ich dafür aus allen Richtungen erhalte, auch wenn ich manchmal schade finde, dass es eben als so besonders wahrgenommen wird, was ich mache. Einfach weil es eben zeigt, wie weit weg wir noch davon sind, das Ingenieurinnen als normal wahrgenommen werden. In meinem letzten Vorstellungsgespräch zu dem ich selbstverständlich in Blazer, Rock und Pumps erschienen bin, wurde ich ganz ungläubig angeschaut, als ich sagte, dass ich auch gerne mal in die Werkstatt gehe und mit anpacke.





sturmfrau, Freitag, 24. Oktober 2014, 18:59
Ich finde die Ausschließlichkeit, mit der die Zuordnung "männlich" und "weiblich" im Bezug auf Klamotten stattfindet, haarsträubend. Jede Frau und jeder Mann sollte die freie Kleiderwahl haben, ganz gleich, ob diese in der gesellschaftlichen Wahrnehmung als männlich oder weiblich besetzt gelten. Eine Frau bleibt eine Frau, ganz gleich, wie sie sich kleidet, und dasselbe gilt für Männer, denen schnell unterstellt wird (und nicht nur von ausgesprochen homophoben Menschen), sie wirkten schwul, wenn sie sich mehr schmücken oder buntere, verziertere, zartere Kleider tragen.

Bei meiner Arbeit laufen auch die meisten Frauen in Sweatshirts und Arbeitshosen herum, einfach weil sie sich feinere Klamotten ruinieren würden. Das gilt auch für mich, obwohl ich einen Bürojob habe - ich bin in Jeans, flachen Schuhen und T-Shirts unterwegs. Ich fühle mich dabei auch sehr wohl, aber mir ist nicht immer danach. Manchmal möchte ich auch die bestickten Röcke, zarten Blusen und hohen Hacken tragen und ein bisschen Schmuck.

Mit dem "falschen" Körper hat das alles wenig zu tun. Viel mehr damit, wie unerwünschtes Verhalten gesellschaftlich sanktioniert wird und was für Stereotype in den Köpfen der Menschen vorherrschen darüber, wie ein Mann, wie eine Frau zu sein hat.

Ich fühle mich in der Werkstatt genau so wohl wie Sie. Lassen Sie sich das nicht verderben. Und auch nicht Pumps und Blazer.


frau ingenieuse, Samstag, 25. Oktober 2014, 12:47
Hallo sturmfrau

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich stimme Ihnen voll zu und die Formulierung "im falschen Körper" war etwas provokant. Sie hat aber durchaus mit der Tatsache zu tun, dass ich häufig mit "sie ist eher ein Junge" beschrieben wurde.